Sonntag, 21. September 2014

Über Kunst oder Künste?

I

Die Frage des Essays lautet, ob allgemein über Kunst gesprochen werden kann, oder ob man sich mit einer Sammlung, mit Künsten zufriedengeben muss, die ein einheitliches Vorgehen nicht erlauben. Einbezogen werden Theorien, die von Bense, von Gustaffson und von Goodman stammen. Die ersten beiden Theorien sind explizit zeichentheoretisch ausgerichtet, die ditte symboltheoretisch. Eine Lösung des Problems bietet keine der aufgegriffenen Erläuterungen, aber die Schwierigkeiten verfolgen zu können, ist eventuell schon ein Gewinn.

Bense hat in den Sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts einen kommunikations­wissenschaftlichen Ansatz über Kunst vorgelegt. Sein Bei­trag ist ein Dokument einer theoretischen Umorientie­rung. Adornos oft diskutierte „Ästhetische Theo­rie“ (Adorno, Th. W., 1973) ist der hegelschen Philoso­phie ver­pflichtet; Bense findet einen Ansatz unter Be­rücksichtigung der mathematischen Informationstheorie (vgl. Bense, M., 1979, S.332). Die knappe Anführung von Adornos Theorie hat einen weiteren Grund. Benses Theorie wird ebenfalls als ästhetische ausgegeben, ist betitelt mit „Ästhetische Kommunikation“.

Grundlage von Benses Ansatz sind seine Aussagen über Zeichen, aus denen Informationen gebildet werden: „Alle zur Herstellung eines Kunstwerks verwendeten Ele­men­te wie Töne, Farben, Wörter, Kontraste, Linien, Formen, Modulationen usw. sind als ‚Zeichen‘ zu ver­stehen.“ (Ebd., S.335.) Es handelt sich um die physika­lischen Zustände von Kunstwerken (vgl. ebd., S.334).
Als zweite Klasse von Zuständen führt Bense konven­tionelle semantische an; diese werden von den physika­li­schen realisiert (vgl. ebd.). In dem Fall sprachlicher Kunst­werke bedeuten Laute Wörter, letztere beziehen sich auf Dinge (vgl. ebd.), wobei unklar bleibt, was unter Bezug verstanden wird. Allgemein differenziert Bense in drei Rea­lisierungsfunktionen: der „repräsentierenden (abbilden­den), präsentierenden (zeigenden) und konstruktiven (auf­bauen­den)“ (vgl. ebd., S.336).
Drittens führt er ästhetische Zustände an, die sich so­wohl auf physikalische als auch auf semantische beziehen können (vgl. ebd., S.334). Bense kreiert weitere Diktionen: ästhetische Zustände werden durch physikalische und se­man­tische getragen oder durch diese konstituiert; physi­kalische Zustände liegen stets vor, nicht immer relevante semantische wie bei einigen modernen Kunstwerken (vgl. ebd., S.333, 334). Ein möglicher ästhetischer Zustand wäre beispielsweise die Schönheit eines Kunstwerkes (vgl. ebd., S.333).

Es kann die Frage aufkommen, ob einige moderne Kunst­­werke, die keine Bedeutungen, keine semantischen Zu­stände haben, dennoch aus physikalischen Zeichen be­stehen? Der allgemein kommunikationswissenschaftliche An­­satz steht oder fällt mit der Antwort. Bense lässt die „gesamte kommunikative Seite der Kunst (...) durch die semiotische Möglichkeit ihrer Elemente“ garan­tieren (vgl. ebd., S.336). Das Wort Möglichkeit ist jedoch unangemessen gewählt: entweder gibt es Kunstwerke, bei denen semantische Zustände ohne Relevanz sind, dann ist auch die Möglichkeit, semantische Zustände zu bilden, ohne allge­meine Relevanz, oder es gibt Kunstwerke, die zwar den Künstlern nach keine, aber dem Kunsttheoretiker nach se­mantische Zustände haben. Wendet man sich den semiotischen Möglichkeiten zu, Bense differenziert in die Funktionen Repräsentation, Prä­sen­tation und Konstruktion, dann ist nicht erkennbar, dass z.B. Sprache miterfasst wird. Bense erläutert das Wort Repräsentation mit dem Wort Abbildung. Worte bilden aber, allgemein gesehen, nichts ab. Zwar können Worte z.B. in Form eines Kreuzes angeordnet werden, eventuell ist auch eindeutig, um was für einen konkreten Gegenstand es sich handelt, damit von Abbildung die Rede sein kann, doch in Bezug auf Sprache ist diese grafische Funktion unerheblich. Es gibt eine zweite Möglichkeit von Abbildungen. Auf die grafische Funktion kann verzichtet werden, allein die Frage, ob Isomorphie vorliege, Ein-Eindeutigkeit, wäre dann noch von Rele­vanz. Ist in Bezug auf Kunstwerke eine ein-eindeutige Relation von Worten zu Gegenständen gegeben, gleich­gültig ob es sich um empirische, imaginäre, traumatische oder metaphysische Gegenstände handelt? Eine inständige Beteuerung dessen würde nicht ausreichen, auch nicht eine mehr oder weniger wahrscheinliche Einschätzung eines Kritikers. Wer könnte z.B. in Bezug auf Gedichte von Trakl isomorphe Strukturen belegen?
Sieht man von der Erläuterung ‚Abbildung‘ ab, ist zu fragen, was vom Wort Repräsentation zu halten ist. Kann ein Wort einen Gegenstand repräsentieren, für diesen stehen, kann ein Wort z.B. eine Person, in welcher Weise auch immer, ersetzten? Worte präsentieren auch nichts Außersprachliches, zeigen nichts, stellen nichts dar, was jenseits von Sprache liegt. Nur ein verschwindend kleiner Prozentsatz von For­mulierungen könnte eventuell aufgrund von Lautstrukturen als nachahmende Dar­stellungen von Gegenständlichem dienen. Dass be­sonders Gedichte zu relevanten Äußerungen verlei­ten können, ließe sich mit der Angabe von Stimulationen aufgrund der Wortwahl und mit Imaginationen von Lesern erklären. Worte stehen zu Gegenständen in keinem relevanten Verhältnis, es sei denn man versteht unter der Bezeichnung Semantik Bildliches, das Lesern in­nerlich erscheint bzw. hochkommt. Die konstruktive Funk­tion ließe sich in ähnlicher Weise interpretieren.
Bense öffnet tatsächlich die Erlebniswelt und führt sogar eine veränderte Diktion ein: „Die Entstehung dessen, was wir in der künstlerischen Produktion ein ‚Bild‘ oder einen ‚Text’ (...) nennen, ist in jedem Fall an die Möglichkeit gebunden, physikalische Ordnungen materialer ‚Signale‘ als ästhetische Ordnungen immaterieller ‚Zeichen‘ einzu­führen.“ (Ebd.) Dieser Formulierung nach besteht die Semantik aus men­talen Zeichen; Worte, Farben, Töne usw., also die Bestandteile von Kunstwerken, fungieren als Signale. Nicht mehr die Kunstwerke sind, das innere Erleben vor diesen steht jetzt Zentrum der kom­munikativen Funktion von Kunst. Die Kunstwerke dienen nur noch der Artikulation von innerlich Erlebtem.
Kunstwissenschaftlich ist das private Erleben des For­schers freilich ohne Belang. Eine allgemeine Theorie über Erleben vor, eventuell Erleben von Kunst dürfte in den Bereich kunstpsychologischer Erörterungen fallen. Anhand seiner kommunikativ se­man­tischen Realisierungsfunktionen, der Repräsentation (Ab­bil­dung), der Präsentation (Zeigen), der Konstruktion (Aufbau) ist bemerkenswert, dass besonders Sprache keinerlei relevante Berücksichtigung erfährt. Ausdehnen ließe sich die Kritik mit der Erörterung des fehlenden Bezugs auf Musik. Was wäre, sieht man von Programmusik ab, als Abge­bildetes, als Gezeigtes, als Konstruiertes seman­tisch in den Musikwissenschaften von Belang, was nicht die Musik selber wäre? Hat z.B. eine musikalische Reihe und ihr Krebs eine Reihe und ihr Krebs zu bedeuten, damit klar wird, sie eine Reihe und ihr Krebs ist? In Bezug auf darstellende Künste wären Worte wie abbilden, zeigen und konstruieren vielleicht eher angebracht, wenngleich äußerst selektiv, zudem: kaum in der kommunikativ mentalistischen Variante von Bense.

An dieser Stelle ist es möglich den Begriff ‚ästhetische Information‘ anzuführen, der die Grundlage für die Probleme bildet. Die Abbildungsfunktion ist eine ästhe­tische Information und zwar eine Information eines Kunst­werkes wie auch eine über ein Kunstwerk, also die eines Betrachters. Von hier aus lassen sich innere Erlebniswelt und äußere Gegenstandswelt, soweit es sich um ästhetische In­formationen handelt, nicht mehr differenzieren. Ähn­li­ches trifft auf Gegenstand und Wort zu: als Information des Gegenstandes und als eine des Erlebenden bleibt eine Diffe­renzierung weitgehend unberücksichtigt.

II

Gustafsson, schwedischer Schriftsteller, hat in seiner Habilitation einen analytischen Ansatz vorgelegt, der zugleich ein allgemein zeichentheoretischer ist. Doch gibt dieser ihm die Möglichkeit, auch auf Kunstgegenstände Bezug zu nehmen? Wenn Gustafssons Ansatz, er selber spricht von „Vorarbeiten“ (Gustaffson, L., 1980, S. 241ff.), die Grundlage für eine allgemeine Zeichentheorie bildet, dann hätte man eventuell auch eine theoretische Basis, um allgemein über Kunst sprechen zu können.
Konträr zu Bense, der seine Theorie im Rahmen einer Kommunikationswissenschaft vorstellt, seine Theorie als wis­senschaftliche verstanden wissen will, nimmt der Schrift­steller Gustafsson seine Resultate zurück: seine Aus­sagen liegen zwar im Bereich wissenschaftlicher Philoso­phie, sind als Vorarbeiten jedoch mit Vorsicht zu genießen. Für diese müssen freilich die selben Kriterien gelten, wie für eine ausführlich entwickelte Theorie.

Gustafsson untersucht verschiedene Repräsentationen, Abbildungen, so die eingesteckten Steinchen eines Jungen in Relation zu passierten Fahrzeugen, den Streckenfahrplan einer U-Bahn in Relation zum Streckennetz, Bilder von Rembrandt und Delacroix. Er kommt zu dem Resultat, dass es verschiedene Abbildungen geben kann, isomorphe (ein-eindeutige) wie im Fall der Steinchen und Fahrzeuge und im Fall des Streckenfahrplans, oder, wie im Fall der Kunst­werke, eine komplexere Regel. Wichtig sei, dass man die je­weilige Regel finde, mit der abgebildet werde. Generell ist Gustafsson der Ansicht, dass Elemente der Wirklichkeit abgebildet werden (vgl. ebd., S.241-243). In Bezug auf Steinchen/Fahrzeuge und Plan/Strecke ließe sich eine solche Auffassung vertreten, wie sieht es aber in den Fällen von Kunstwerken aus?

Im Fall eines Bildes von Delacroix fällt das Wort „nachahmen“ (vgl. ebd., S.243). Es wird vorausgesetzt, dass etwas sei, etwas Bestimmtes, das abgebildet wird. Nichts wird hinzugefügt, was keine Entsprechung hätte. Der Hilfs­gegenstand dient nicht zur Inspiration, lediglich als Vorlage. Freilich nur dann, wenn die Regel von dem Nachahmer konsequent verfolgt wird, wie Gustafsson voraussetzt (vgl. ebd., S.242). Wäre es im Hinblick auf eine Nachahmung angemessen, wenn man z.B. erläuterte, dass zwar alle Gesichtsteile eines bestimmten Man­nes in einem Bild dargestellt würden, die gemalte Warze aber eine Darstellung eines Gegenstandes ist, der einer Frau zugehört, die während des Malvorganges nicht anwesend war? Wie verhielte es sich, wenn eine Zu­ordnung der gemalten Warze konkret nicht möglich wäre, wenn nicht klar wäre, dass ein Gegenstand der Em­pirie zur Darstellung gelangt ist?
Die Steinchen, die Zeichen des Jungen bilden situa­tions­bedingt ein-eindeutig passierte Fahrzeuge ab: ein Fahr­zeug / ein Steinchen, eine der Taschen / vormittags. Gustafsson be­schreibt mit dieser Abbildungsregel zugleich eine Relation der Zeichen zur Wirklichkeit. In den Fällen der Kunstwerke sei es komplexer, würden seiner allge­meinen Fassung nach Elemente in eine andere hinein ab­gebildet (vgl. ebd., S.242/ 243). Diese allgemeine Beschrei­bung von Malvor­gängen mit verschiedenen Farb- und Material­schichten ist als Beschrei­bung einer Relation zur Wirklichkeit jedoch un­erheblich, weil diese Schichten kaum differenzierbar sind, im Unterschied zu den verschiedenen Taschen; aus diesem Kontext ließe sich aber indirekt entnehmen, dass auch bei Gemälden grundsätzlich eine ein-eindeutige Abbil­dung vorausgesetzt wird. Gustafsson übersieht, dass Gemälde vielfach auf die Verschmelzung von verschiedenen Schichten ausgerichtet sind, nicht auf deren Betonung.
Die Erörterungen von nicht-sprachlichen Abbildungen nehmen in Gustafssons Untersuchung jedoch einen gerin­gen Umfang ein, diese bleiben zudem relativ oberflächlich. Pri­mär analysiert er sprachliche Vorkommnisse. Für die Beurteilung seiner Theorie ist die Diskussion über nicht sprachliche Abbildungen, die oben geführt wurde, allerdings erforderlich.

Die folgende Be­schäftigung mit seinen Aussagen über Sprache betrifft so­wohl verschiedene Ausrichtungen innerhalb der Philoso­phie, wissenschaftlich orientierte und andere, als auch Belle­tristik. Inwieweit auf Umgangssprachen Bezug genommen wird, bleibt offen. Gustafsson greift auf die Sprachphilosophie vom jun­gen Wittgenstein, auf den „Tractatus logico-philosophicus“ zurück, allerdings nur in einem äußerst begrenzten Umfang (vgl. Gustafsson, L., 1980, S.248ff.). Zum Verständnis der hier relevanten Aussagen muss auf Wittgensteins Theorie nicht dezidiert eingegangen werden. Die Annahme isomorpher Strukturen in Bezug auf Sprache und Empirie ist dann möglich, wenn es sich um Sprachen handelt, die eindeutig sind. So kann es bei­spielsweise in deskriptiven Statistiken Ein-Eindeutigkeit ge­ben. Die erste Frage, die sich stellt, ist: wie verhält es sich mit nicht exakten, wenngleich hoch differenzierten belle­tristischen Sprachen? Gustafsson führt in Bezug auf Schrif­ten von Nietzsche eine heranziehbare Diskussion.

Von ihm angeführte Argumente sprechen gegen iso­morphe Strukturen. „Wenn man mit Unbestimmtheit die normale Unbestimmtheit meint (...), dann dürfte man bei Nietzsche keine Schwierigkeit haben, unbestimmte Sätze zu finden.“ (Ebd., S.41.) Für seine Theorie findet er hingegen nur Ausflüchte, ohne diese angemessen zu be­zeichnen. So rettet er sich vordergründig mit der Ansicht, dass die Situa­tion auch auf die übrigen Philosophen des 19. Jahr­hunderts zuträfe (vgl. ebd.). Was würde sich ändern, wenn seine Einschätzung richtig wäre? Auch wenn man, wie er in einem Extremfall vor­schlägt, Dichtungen von Mallarmé Realdefinitionen zur Seite stellt (vgl. ebd.), was wäre durch solche Hypothesen gewonnen?
Im Kontext von Gedichten des Spätromantikers fällt auf, dass Gustafssons Wort Wirklichkeit einen um­fangreicheren Bezug haben muss, als zunächst angenommen wurde. Eventuell führt die folgende Diskussion noch zu einer Klärung. Kunstwerke von Nachahmern, wie z.B. die Bilder von Rembrandt und Delacroix innerhalb Gustafssons Theorie, decken nur einen kleinen Bereich ab. Für eine Theorie, die z.B. auch Kandinskys informelle Malerei erfasst, werden andere Angaben benötigt. Relevante Aussagen findet man im Rahmen der Sprachphilosophie. Die Frage lautet: was wird abgebildet? Gustafsson antwortet mit den Worten Struktur, Ordnung und Relationen (vgl. ebd., S.247/248). Doch welche könnten als Abgebildete in Frage kommen?

So als ob Gustaffson ein Rückzugsgefecht einleitet, wechselt er von Abbildungen hin zu Konstruktionen. Sätze werden nicht als Abbildungen in Relation zur Wirklichkeit gestellt, sondern sie werden kon­struiert. Als Grundlage dient: „die Struktur des Satzes und die Struktur der Welt ist immer dieselbe.“ (Ebd., S.261.) Im Hinblick auf Konstruktionen geht er noch einen Schritt weiter. Nicht nur Sätze werden konstruiert, son­dern auch die Welt: „Wir selber strukturieren die Welt, wenn wir ver­schiedenfarbige Steine in unserer rechten oder linken Ho­sen­tasche sammeln“ (ebd.) Doch genau dies ist un­möglich: so kön­nen Gegenstände eines Zimmers, die man umräumt, relational strukturiert, auch umstrukturiert werden, nicht aber Fahr­zeuge durch Zeichen, z.B. durch Steine wie im Fall des Jungen. Die Welt würde bleiben wie sie war.
Das krampfhafte Festhalten an Isomorphie hängt vielleicht damit zusammen, dass die Struktur unabhängig von Sprache und Welt vor­kommt, als Substanz: „die Struktur des Satzes und die Struktur der Welt ist immer dieselbe. Nie existiert mehr als ein Exemplar von einer Struktur; das, wovon mehrere Exemplare existieren, sind ihre Erscheinungsformen“ (Ebd.) Die Substanz wäre ein metaphysisches Etwas, das sich Gustafsson in Sprache und Welt.

III

In Goodmans Ansatz ist über Zeichen kaum etwas zu erfahren. Er spricht über Symbole, die für etwas stehen und auf diese Weise Bezug nehmen. Die Schwierigkeit ist, rauszubekommen, was damit ausgesagt wird, denn dieses ‘Für-etwas-stehen’, das ein Symbolisieren ausmache, verbindet zwei völlig verschiedene Bereiche auf geheimnisvolle Weise miteinander. Der Präsident einer menschlichen Gemeinschaft, sei es auch nur der eines lokalen Kunstvereins, kann aufgrund seines Amtes für die Mitglieder sprechen, auch wenn er ausgepfiffen wird, doch Svmbole einerseits und Symbolisiertes andererseits gehören zu unterschiedlichen Bereichen. Es wäre z.B. lächerlich, anstatt den Präsidenten auftreten zu lassen, ein Bild von ihm auf der Bühne zu platzieren. Dass Talmi im Eingangsessay Goodmans symboltheoretisches Hauptwerk (vgl. Goodmann, N., 1998) erst gar nicht einbezieht, ist vielleicht diesem besonderen Umstand zu verdanken.

Die Lösungen, die Goodman anbietet, sind nicht weniger kurios als die bisher behandelten. Worte Symbol geben ihm – im Vergleich – mehr Möglichkeiten an die Hand, Bezüge zu beanspruchen. Der Bauplan eines Gebäudes würde das Gebäude symbolisieren, eine Notation eine Aufführung. In beiden Fällen handelt es sich jedoch um konzeptionelle Gestaltungen. Bei der Anfertigung eines Konzeptes auf etwas als Bezug zu verweisen, das eventuell in der Zukunft liegt, unter Umständen gar nicht eintreten wird, weitet Bezugnahmen unangemessen aus. Immerhin gibt Goodman aber die Möglichkeit frei, dass kein Bezug vorliegt, wie bei einem Bild, das ein Einhorn zeigt.

Er bleibt jedoch keineswegs eindeutig: „Wer (...) nach einer Kunst ohne Symbol Ausschau hält, wird keine finden“ (ders., 1990, S.86). Auch ein emotionaler Audruck kann Symbol sein. Ein Kunstwerk enthält den Ausdruck von Trauer durch eine symbolische Metapher, die sich auf etwas bezieht, auf das auch ein Wort traurig verweisen würde (vgl. ders., 1998, S.87f.). Die Schwierigkeit, die sich eröffnet, ist leicht beschrieben: ein künstlerischer Audruck ist i.d.R. viel präziser, als es ein kontextloses Wort traurig sein kann. Die Bezugsmöglichkeiten eines Wort traurig wären zu umfangreich, um als Hilfe oder Erläuterung zu dienen. Und wenn schließlich ein Symbol in der Not, weil es einen Bezug aufzuweisen hat, sogar auf sich selber verweisen muss (vgl. ders., 1998, S.65), wirkt das ganze Unternehmen doch sehr erkünstelt. Ich sehe im vorliegenden Kontext davon ab, Goodmans Symboltheorie in aller Breite vorzustellen.



IV

Die zentrale Frage des Essays lautete: ist eine allgemeine Kunsttheorie möglich? Fasst man Worte, Far­ben, Töne, Klänge usw. als Zeichen oder Symbole, dann er­geben sich Unvereinbarkeiten und Künstlichkeiten, die aus funktio­nalen Differenzen resultieren. Vergleichsweise junge Künste, für manchen eventuell absonderliche, müssen erst gar nicht einbezogen werden; bereits die traditionellen, gleich­sam klassischen Bereiche Belletristik, Malerei und Musik las­sen sich kaum allgemein behandeln.



Literatur

Adorno, Th.W., 1973, Ästhetische Theorie, Frankfurt a.M.

Arnauld, A., 1972, Die Logik oder die Kunst des Den­kens, Darmstadt (Wiss. Buchgesellschaft).

Bense, M., 1979, Ästhetische Kommunikation, in: Ästhe­tik, hrg. v. W. Henckmann, Darmstadt (Wiss. Buch­ge­sellschaft), S.332-338.

Goodman, N., 1990, Weisen der Welterzeugung, Frankfurt a.M.

Goodman, N., 1998, Sprachen der Kunst: Entwurf einer Symboltheorie, Frankfurt a.M.

Gustafsson, L., 1980, Sprache und Lüge, München.

Wittgenstein, L., 1984, Tractatus logico-philosophicus, in: Werkausgabe Bd.1, Frankfurt a.M., S.7-85.

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Mein Beitrag zum Band: „Diabolus. Essays über Künste“, hg. v. K. Talmi, der diesen Herbst erscheinen wird (AutorenVerlag Matern).